Blutkrieg by Hohlbein Wolfgang

Blutkrieg by Hohlbein Wolfgang

Autor:Hohlbein, Wolfgang [Hohlbein, Wolfgang]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783802536243
Herausgeber: Vgs
veröffentlicht: 2007-04-14T22:00:00+00:00


Der Hexenfelsen

»Dort!« Fjalars Hand deutete nach Norden, oder zumindest in die Richtung, von der sie annahmen, dass dort Norden war. Ganz sicher sein konnte Andrej nicht, in einem Land, das für alle Zeiten auf dem schmalen Grat zwischen Dämmerung und Nacht erstarrt zu sein schien. Er wusste längst nicht mehr, wann er das letzte Mal einen Sonnenauf- oder -untergang gesehen hatte, ebenso wenig, wann er das letzte Mal die Sonne selbst gesehen hatte. Der Himmel über ihnen war eine monotone graue Fläche, auf die sich nicht einmal eine Wolke wagte. Natürlich wusste Andrej, dass in Wahrheit erst wenige Tage vergangen sein konnten, seit es Abu Dun und ihn an die Küste dieser feindseligen, nur aus schwarzem Fels und weißem Eis bestehenden Inseln verschlagen hatte, und doch kam es ihm manchmal vor, als wanderten sie nun schon seit Ewigkeiten durch eine Welt, die in ihrer Ödnis und Kälte selbst die Götter verschreckte. Er schüttelte den Gedanken ab und konzentrierte sich mit einiger Mühe wieder. Nichts war wichtiger als das Hier und Jetzt, denn es ging um nichts Geringeres als Abu Duns Leben. »Bist du sicher?«, wandte er sich an seinen Begleiter.

Fjalar würdigte ihn zwar eines beleidigten Blickes, aber keiner Antwort. Er zog die Kapuze seines schmuddeligen Mantels tiefer in die Stirn, dann schlurfte er weiter. Andrej folgte ihm einen Moment lang mit Blicken, bevor auch er sich in Bewegung setzte und dabei die Füße sorgsam in die schlampigen Abdrücke setzte, die der Zwerg im Schnee hinterlassen hatte. Etwas in ihm scheute sich instinktiv davor, in diesem Land, das nur dem Wind und der Kälte gehörte, auch nur die allermindeste Veränderung zu hinterlassen.

Andrej dachte diesen Gedanken ganz bewusst, denn es war rein gar nichts Komisches oder Absurdes daran. Auch das war etwas, was er in zunehmendem Maße – und mit zunehmender Sorge – an sich selbst beobachtete: Seine Gedanken begannen sich auf Pfaden zu bewegen, die ihn erschreckten, und während sie immer verworrener und abstruser wurden, nahmen sie zugleich an Wahrhaftigkeit zu. Das machte ihm Angst. Vielleicht galten in diesem öden Fleckchen Land hinter dem Ende der Welt ja nicht nur die Regeln der Zeit nicht mehr, sondern auch die der Logik, und vielleicht waren die Dinge hier einfach … anders. Nicht zum ersten Mal glaubte er noch einmal das zu hören, was Abu Dun gleich nach ihrer Ankunft gesagt hatte: Vielleicht sind wir tot, und das ist die Hölle. Damals hatte Andrej darüber gelacht, jetzt kamen ihm die Worte des Nubiers mehr und mehr wie eine düstere Prophezeiung vor.

Er verjagte auch diesen Gedanken und beeilte sich nun, zu seinem kleinwüchsigen Führer aufzuschließen, obwohl in der flachen Einöde, die sie umgab, kaum die Gefahr bestand, ihn aus den Augen zu verlieren.

»Wie weit ist es noch?«, fragte er, um das bedrückende Schweigen zu durchbrechen, das nur seinen düsteren Gedanken neue Nahrung gab. Im nächsten Augenblick bedauerte er die Frage schon zutiefst, denn sie durchbrach den Faden seiner Gedanken, die sich um Fjalar, seinen Führer, drehten. Nun glitt eine Ahnung zurück in die Tiefen



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